Für Jurastudierende sind sie Pflicht – die Praktika. Um einen optimalen Einblick in verschiedene Berufsfelder und zukünftige Arbeitgeber zu erhalten ist es wichtig möglichst sinnvolle Praktika zu finden. Regelmäßig möchte ich hier Kommilitonen zu ihren Erfahrungen interviewen. Hier liest du von Manuels Praktikum in der britischen Großkanzlei Ashurst.
Manuel, wie kamst du dazu eines deiner Pflichtpraktika bei Ashurst zu absolvieren?
Schon seit den ersten Semestern interessiere ich mich für Großkanzleien als potenzielle Arbeitgeber. Ich habe mir das Arbeitsleben in Großkanzleien immer sehr spannend vorgestellt und wollte gern meine Pflichtpraktika nutzen um diese Vorstellung auf die Probe zu stellen.
Bestmöglich wollte ich mir unterschiedliche Großkanzleien ansehen, denn ich hatte gehört, dass es einen Unterschied machen kann ob die Kanzlei aus den USA, aus Großbritannien oder etwa Deutschland kommt. Ashurst selbst stammt aus Großbritannien und ist in Deutschland mit zwei Büros, in Frankfurt am Main und München, vertreten.
Außerdem war mir wichtig, möglichst viel in meinem Praktikum zu lernen. Ich denke hierfür sind Großkanzleien bestens geeignet, da sie einfach große personelle und zeitliche Ressourcen bieten können.
Zunächst habe ich im Internet nach Praktikumsplätzen gesucht. Die gängigsten Großkanzleien waren mir schon bekannt. Sie alle haben eine eigene Online-Präsens für Praktikumsinteressierte. Dort habe ich mich vorab informiert. Beworben habe ich mich anschließend per Email bei mehreren Kanzleien.

Ashurst hat dabei mit einer Antwort nicht lange auf sich warten lassen. Bereits eine halbe Stunde nach Versenden meiner E-Mail hatte ich eine Einladung zum Bewerbungsgespräch in meinem Postfach. Das hat bei mir direkt einen positiven Eindruck hinterlassen.
Wenige Tage später folgte das ebenfalls sehr angenehme Bewerbungsgespräch in den Räumen der Kanzlei. Hierbei erzählte mir eine Anwältin in lockerer Atmosphäre was mich in einem Praktikum erwarten würde. Am Tag danach erhielt ich die Zusage zum Praktikum und vereinbarte mit der Personalerin einen Zeitraum von sechs Wochen. Nur eine weitere Woche später hielt ich den Arbeitsvertrag in meinen Händen. Online musste ich vorbereitend noch einige Policies durchlesen.
Wie wurdest du am ersten Tag in der Kanzlei begrüßt? Welche Aufgaben kamen in der ersten Woche auf dich zu?
Die Kanzlei hat ihre Büros in Frankfurt im Opernturm. Dort arbeiten knapp 60 Anwälte und Anwältinnen. Am ersten Tag war ich um zehn dort und direkt am Empfang traf ich einen weiteren Praktikanten. Wir zwei wurden dann herum geführt und trafen auch auf unser Team.
Das Corporate-Team besteht aus 18 Anwälten und Anwältinnen. Gleich durften wir alle duzen, das war sehr erfrischend. Um mit dem Team vertrauter zu werden, gingen direkt am ersten Tag sechs Teammitglieder mit mir Mittagessen. Ansonsten folgte am ersten Tag nur die IT Induction.

Mein Arbeitsplatz lag für die kommenden Wochen an einem kleinen Co-working Pool mit vier Arbeitsplätzen. Dort saß ich mit dem anderen Praktikanten und wissenschaftlichen MitarbeiterInnen zusammen. Dies war sehr angenehm, so hatte ich immer jemanden, dem ich spontan Fragen stellen konnte.
Die ersten Aufgaben erhielt ich in der ersten Woche direkt von Anwälten und Anwältinnen, die einfach auf mich zu kamen oder mich angerufen haben. Manchmal wusste ich auf den ersten Blick noch nichts mit der Aufgabenstellung anzufangen, da es viele Thematiken gibt mit denen man als Student bisher einfach noch keine Berührung hatte. Dann habe ich
meine Kollegen und Kolleginnen gefragt oder gegoogelt. Stets hatte ich aber ein gutes Gefühl, da ich durch die open-door-policy jederzeit jemanden hätte fragen können.

Welche Aufgaben konntest du im Verlauf deines Praktikums übernehmen? Wie sah dein typischer Tagesablauf aus?
Morgens war ich immer zwischen neun und zehn Uhr im Büro. Häufig haben mich dann bei Anschalten meines Computers E-Mails erwartet in denen jemand mir eine Aufgabe übertragen hatte oder mich um Mithilfe bat.
Im Verlauf meines Praktikums habe ich viele verschiedene Aufgaben übernehmen dürfen. Nie musste ich etwas machen, das mir keinen Spaß machte oder mir keinen Einblick in die Arbeit als Anwalt gegeben hätte. Ich habe viel an Due Dilligence Projekten mitgearbeitet. So habe ich zum Beispiel Reports erstellt und Dokumente übersetzt. Außerdem habe ich häufig Recherchearbeiten gemacht und Memoranden angefertigt. Auch an Telefonkonferenzen habe ich teilgenommen. Eine weitere Aufgabe war die Überprüfung der Datenräume der Due Dilligence, dies war zwar keine besonders spannende Aufgabe, aber hat mir doch gezeigt worauf es bei der Arbeit ankommt und war wichtig für das Gelingen des Projektes.
Wissen aus der Uni konnte ich dabei nur wenig verwenden, denn Inhalte aus dem Grundstudium sind für die Tätigkeit in Großkanzleien nur selten relevant. Sich in die unterschiedlichsten Sachverhalte reinzuarbeiten zu können ist wichtig, dabei hat die Arbeitsweise, die man aus Hausarbeiten kennt, geholfen.
Die Mittagspause habe ich meist mit anderen Praktikanten und wissenschaftlichen Mitarbeitern verbracht. Wir waren dann ein bis zwei Stunden locker essen. Manchmal gab es auch vom Personalbereich organisierte Alumni-Stammtische, bei denen wir von der Kanzlei eingeladen waren.
Besonders toll fand ich auch, dass es immer wieder Lunch’s gab, bei denen sich Partner die Zeit nahmen Vorträge für Praktikanten, wissenschaftliche MitarbeiterInnen und ReferendarInnen zu halten. So habe ich auch Einblicke in andere Rechtsbereiche der Kanzlei, wie Finance oder Competition Law erhalten können. Außerdem gab es einen vertiefenden M&A-Workshop. Auch an den Fortbildungsangeboten für die Associates durften wir teilnehmen.

Abends hätte ich eigentlich stets um sechs Uhr nach Hause gehen können, meist blieb ich aber länger. Dies lag aber keinesfalls an der Kanzlei oder meinem Team, sondern vielmehr daran, dass ich mir in meinem Praktikum gezielt alle Aspekte der Arbeit in einer Großkanzlei anschauen wollte. Dazu gehört für mich auch die lange Arbeitszeit. Deshalb blieb ich meist bis acht Uhr. So wollte ich abschätzen lernen können ob auch das etwas für mich ist.

Die spannendste Aufgabe meines Praktikums war eine Unternehmenstransaktion, bei der ich wirklich viel mitarbeiten konnte und einen guten Überblick über den gesamten Transaktionsablauf erhalten habe. Am Abend vor dem Signing-day wurde es etwas stressig. Kurz vor null Uhr waren dann noch sechs Leute im Büro. Am nächsten Morgen sollte alles fertig sein, damit der Partner zum signing würde fahren können. Die Stimmung zu diesem Zeitpunkt zu erleben war sehr interessant. Das war ein besonders spannender und anstrengender Einblick für mich.
Was konntest du aus deinem Praktikum bei Ashurst mitnehmen? Was hat dir besonders gut gefallen?
Durch mein Praktikum bin ich auf jeden Fall zu der Erkenntnis gekommen, dass die Arbeit in der Großkanzlei an sich und vor allem auch der Bereich Corporate etwas für mich ist. Ich kann mir gut vorstellen, später in genau diesem Team als Berufsanfänger einzusteigen. Durch das Praktikum hab ich gute Einblicke und Erfahrungen sammeln können. Innerhalb der Kanzlei habe ich nun auch viele Kontakte. Ich denke es ist gut einen „Fuß in der Tür“ zu haben, und in Erinnerung zu bleiben. Die Kanzlei ist zudem sehr darum bemüht den Kontakt mit dem Nachwuchs zu halten.
Auf meiner Verabschiedung als Praktikant wurde mir gesagt ich könne mich für eine weiterführende Tätigkeit wieder melden. Dies war wohl eigentlich für den Zeitraum nach dem erstem Staatsexamen gedacht, ich stellte jedoch klar, dass ich gern auch schon als Student dort arbeiten würde. Mit gewohnter Schnelligkeit wurde das geprüft und nun arbeite ich zwei Tage in der Woche als wissenschaftlicher Mitarbeiter im selben Team. Ich bearbeite nun weitestgehend die gleichen Aufgaben wie im Praktikum.

Kannst du anderen Jurastudierenden empfehlen ein Praktikum in einer Großkanzlei zu machen?
Ich kann es auf jeden Fall empfehlen. Es ist wichtig zu lernen was einem gefällt, um so seine Berufswahl eingrenzen zu können. Selbst schlechte Erfahrungen in einem Praktikum sind eine weitere Erkenntnis und bringen die Gewissheit in diesem Berufszweig nicht arbeiten zu wollen.
Ich denke alle verschiedenen Arbeitsmöglichkeiten anzuschauen ist sinnvoll, jedoch halte ich es für besonders empfehlenswert ein Praktikum in einer Großkanzlei zu machen, wenn man die Chance dazu hat. In diesen kann man eine große Bandbreite an Zusatzangeboten wahrnehmen und sich ein größeres Netzwerk aufbauen, als das beispielsweise in kleineren Kanzleien möglich ist.
Als Praktikant in einer Großkanzlei kann man alle Vorzüge kennen lernen und genießen, ohne die Nachteile schmecken zu müssen.
Ich werde definitiv noch ein zweites Praktikum in einer Großkanzlei machen. Dann in einer amerikanischen Kanzlei und in einem etwas anderen Themenbereich. Ich persönlich werde wahrscheinlich keine Zeit mehr haben ein weiteres Praktikum in einer kleineren Kanzlei zu machen, kann aber auch das jedem nur ans Herz legen. Im Studium kann man noch viel ausprobieren und nur mit viel Erfahrung kann man sich später sicher sein, dass man wirklich das macht, was einem am besten gefällt.
Vielen Dank für das interessante Interview, Manuel. Weiterhin viel Erfolg im Studium.
Du möchtest noch mehr über Praktika in Großkanzleien erfahren? Dann lies doch über das Praktikum in der Großkanzlei Hogan Lovells.