In manchen Bundesländern gehört es zum Pflichtprogramm – das Gerichtspraktikum, so auch in Hessen. Einen Monat lang darf man dort das seinem Wohnort nächste Landgericht aufsuchen und verschiedenen Verhandlungen beiwohnen, sowie die Justiz in ihren unterschiedlichen Facetten kennen lernen. Im Folgenden möchte ich von meinem Gerichtspraktikum im Herbst 2017 erzählen.
Ablauf und Organisation
Die Anmeldung zum Gerichtspraktikum ist in Bundesländern, in denen dieses zwingend vorgeschrieben ist, denkbar einfach. Schließlich müssen alle Studierenden irgendwann zum Zug kommen. Wartezeiten gibt es in kaum einem Gerichtsbezirk. Die Anmeldung erfolgt durch das Ausfüllen und Einsenden eines Formulars an das zuständige Gericht.
Meine Unterlagen sendete ich im Frühjahr 2017 ein, im Sommer erhielt ich die Zusage. So kam ich in der vorlesungsfreien Zeit des zweiten Semesters zu einem Platz im Gruppenpraktikum des Landgerichtes Wiesbaden.
Gruppenpraktikum kann man in diesem Zusammenhang ruhig wörtlich verstehen. Zusammen mit ungefähr 30 anderen Jurastudierenden absolvierte ich ein vorbereitetes Programm. Diese Studierenden kamen zu einem großen Teil von der örtlichen privaten EBS Hochschule, außerdem von der Universität Mainz und der Universität Frankfurt. Zu Beginn des Praktikums wurden wir in zwei Gruppen eingeteilt. Besuchten wir zwar alle Verhandlungen gemeinsam, so wurden wir dennoch oft bei auswärtigen Terminen, wie zum Beispiel in Gefängnissen und Gerichtsmedizin, und Verhandlungen mit beschränkten Sitzplätzen aufgeteilt.
Während der Zeit des gesamten Praktikums sorgten zwei kompetente Richterinnen für die Organisation unserer Termine und ein abwechslungsreiches und vielfältiges Programm.
Programm
Zu diesem Programm gehörte an vielen Tagen der Besuch mehrerer Verhandlungstermine im Gebäude des Landgerichtes. Hierzu zählten unterschiedlichste zivilrechtliche Verhandlungen und kleinere strafrechtliche Angelegenheiten. Außerdem sahen wir arbeitsrechtliche Streitigkeiten sowie Anhörungen in Verbindung mit der Verlängerung des Status von Asylbewerbern.
All diese Termine boten einen excellenten Einblick in die Arbeitsweise der verschiedenen Kammern und RichterInnen sowie den Ablauf üblicher Gerichtstermine. Es bot vielen aus unserer Gruppe zum ersten Mal die Gelegenheit, ein Gespür für die Arbeit des Gerichtes zu entwickeln und manches des bereits theoretisch gelernten in der Praxis umgesetzt zu sehen.
Hierbei kam es in dieser Art des Praktikums vor allem auf das Zuhören und Verstehen der Prozesse vor Gericht an. Ein direktes Mitarbeiten war an keiner Stelle nötig oder gewünscht. Gerade das stellt jedoch die Chance des Gerichtspraktikums dar. Kann man doch in kaum einem anderen Praktikum bereits im zweiten Semester sinnvoll verschiedenste Kenntnisse erwerben.
Zusätzlich zu diesem Programm besuchten wir zusammen mit den Richterinnen mehrere andere Einrichtungen die mit dem Gericht eng in Verbindung stehen.
Hierzu gehörte zu allererst die Jugend-Justizvollzugsanstalt Wiesbaden. Nach strenger Sicherheitskontrolle durften wir das Gefängnis betreten und wurden von Angestellten herum geführt. So sahen wir die schlicht, aber nicht unkomfortabel, eingerichteten Wohnbereiche der männlichen Insassen und deren, nur wenige Quadratmeter große, Zellen. Außerdem konnten wir sehen, dass den Jugendlichen an mehreren Orten innerhalb der Gefängnismauern verschiedene Ausbildungen zum Erwerb eines Berufsabschlusses bereitstehen. Beispielsweise im handwerklichen Bereich oder als Koch. Die Auszubildenden helfen hiermit auch bei der Gestaltung des normalen Tagesablaufs mit und unterhalten die Anlage. Zudem finanziert sich das Gefängnis durch eine Lagerhalle, in der Versandgüter verpackt und für den Weiterversand vorbereitet werden. Dort ist eine Ausbildung zum Lageristen möglich. Unmissverständlich war der Anspruch dieser Jugend-Justizvollzugsanstalt den Häftlingen Bildung zu anzubieten, um so eine Zukunft nach Absitzen der Strafe zu ermöglichen.
Ein anderes Bild bot die gegensätzlich gestaltete Justizvollzugsanstalt für Erwachsene in Butzbach, die wir an einem zweiten Tag besichtigten. Diese war viel größer, mit einer höheren Anzahl an Häftlingen, weit weniger einladender Gestaltung und ohne gemeinsame Bereiche der Häftlinge. Hier wurde uns Besuchern die beklemmende Aussichtslosigkeit, welche eine Haftstrafe mit sich bringt, sehr deutlich.
In der letzten Woche des Praktikums besuchten wir die Gerichtsmedizin Frankfurt am Main – eine alte Stadtvilla im Zentrum. In Erwartung in eine Leiche zu sehen, wurde die Hinfahrt wohl für die meisten der Praktikanten und Praktikantinnen von einem mulmigen Gefühl begleitet. Von mehreren Mitarbeitern wurde uns zunächst das Aufgabenspektrum der Gerichtsmedizin erklärt. Dazu gehört keinesfalls nur die Obduktion. Vielmehr werden auch Gentests, beispielsweise für Verwandtschaftstests, Drogenkontrollen und andere Untersuchungen durchgeführt. Schlussendlich konnten wir im Keller des Hauses einer Gerichtsmedizinerin bei der rein äußerlichen Prüfung einer Leiche über die Schulter schauen. Dort werden alle menschlichen Leichen, bei denen eine unnatürliche Todesursache nicht mit hundertprozentiger Sicherheit auszuschließen ist, untersucht. Trauten sich zu Beginn alle Praktikanten und Praktikantinnen in den Raum so mussten doch mehrere ihn vorzeitig wieder verlassen.
Zum Abschluss des Praktikums wurde uns ein Mini-Moot-Court angeboten, bei dem wir in unterschiedlichen Rollen zwei fiktive Gerichtsprozesse nachspielten. Den letzten Tag verbrachten wir bei der Schufa in Wiesbaden.
Fazit
Ich persönlich sehe in einem Gerichtspraktikum eine interessante Möglichkeit bereits früh im Jurastudium erste lehrreiche Erfahrungen zu sammeln. Es scheint mir eines der wenigen Praktika zu sein, die man bereits sinnvoll im zweiten Semester absolvieren kann. Es bietet die Möglichkeit bereits gelernte Inhalte praktisch angewendet zu sehen, sowie Vorwissen für die prozessrechtlichen Fächer in höheren Semestern zu sammeln.
Es ist außerdem eine gute Gelegenheit die eigene Berufswahl auszuloten. Jene, die sich für einen Beruf in Staatsanwaltschaft oder Richterschaft interessieren, können ein gutes Gefühl für diese Berufsgruppen entwickeln. Hier werden kaum Einzelpraktika vergeben, deshalb stellt das Gerichtspraktikum auch in diesem Sinne eine gute Wahl dar.
Mich interessiert wie du zu dem Gerichtspraktikum stehst und ob du eine Pflicht zur Absolvierung, wie in Hessen, für sinnvoll hältst. Schreib gern einen Kommentar.